Kleine Drachen-Anekdoten

Anbei einige kurze aber wahre Drachen-Geschichten. Nur die Vornamen sind erfunden. Es war einmal...

Tessin versus Hofstetten

Frühmorgens auf dem Balkon, nachmittags im Grünen und abends im Swimmingpool. Dazwischen Frühstück, Tessiner-Teller und Osso Bucco con Polenta. Kaffee oder Merlot. Je nach Tageszeit. So sommerlich hat der Wonnemonat Mai begonnen. Zumindest im Tessin. Und wir waren eben im Tessin!

Jetzt gerade sitze ich wieder im Atelier und schaue aus dem Fenster. Regen, Regen und nochmals Regen bei bescheidenen Temperaturen. Träume vom sonnigen warmen Orselina, mit seiner wunderbaren Aussicht hinunter auf Locarno und hinüber nach Ascona, hinauf in die Berge und wieder hinunter auf den Lago Maggiore. Träume von den Magnolien Bäumen, von den Kamelien, vom Ginster und den teils riesigen Azaleen-Gewächsen, welche hier jede Ecke, jeden Garten zieren. Träume vom Hotel Stella und seiner Gastfreundschaft. Denke ans wohltuende Frühstücks-Buffet, ans wohlschmeckende Abendessen und die wohlriechenden jungen Damen, welche fürs Essen und Trinken besorgt sind. Zugegeben, Orselina ist kein Paradies für Fussgänger. Steil sind die Wege von Locarno hinauf oder von Orselina hinunter. Und das alles überragende majestätische Kloster Madonna del Sasso. Wem die Wege zu steil sind, der nehme das Funicolare. Oder den Bus. Oder das Fahrrad, welche in den Hotels gratis angeboten werden. Hinunter damit ja, aber hinauf nach Orselina? Da kann man/frau ja gleich die Route über den Gotthard wählen! Auf wenig Verständnis stösst bei mir die Tatsache, dass in Locarno und Umgebung General-Abonnement und Halbtax-Abo nicht akzeptiert werden. Aber eben, nicht nur Basel tickt anders, auch Locarno. Da gibt’s nämlich den Kaffee für Fr. 2.80 und einen halben Merlot für Fr. 16.-, Kaffee und Kuchen für Fr. 6.50 ohne Rahm. Der kostet dann noch einen Franken extra. Oder vielleicht einen doppelten Grappa für Fr. 8.- zum Espresso?

Sergio hat mich zu Hause angerufen. Am 14. Mai finde im solothurnischen Hofstetten anlässlich der Sportwoche ein Drachentreffen statt. Und 18 Kinder hätten sich für einen Drachen WorkShop angemeldet. Nun fehle aber noch die besagte Person, die den WorkShop durchführen könne. Danke Sergio, bei mir bist du an der richtigen Adresse. Drei Tage später fahre ich mit Bus und Trämli nach Flüh. Und von dort weiter mit dem Bus nach Hofstetten. Kurz bevor der Bus abfährt, steigen noch Anita und Robert ein. Sie sind die Schweizer Meister im Pair. Lenkdrachen pur. Auch heute werden sie dem Publikum ihre Künste vorführen. Die Mehrzweckhalle Mammut in Hofstetten kann sich sehen lassen. Für jeden Anlass geeignet. Turnhalle, nettes Beizli mit auserlesenen Weinen und schöne Grünfläche mit einer markanten Steigung auf der Ostseite. Ideal im Winter zum schlitteln, ideal heute zum Drachen steigen lassen. Die Kinder aber müssen ihre Drachen zuerst noch bauen. Dazu sind wir ja gekommen. In der Turnhalle richte ich mich ein. Lege das Drachen Material parat. Sergio vertraut mir zwei junge sympathische Damen an. Sie sollen mir beim WorkShop helfen. Das kann ich natürlich nicht ablehnen. Unterdessen sind die Kinder vollzählig. 34 an der Zahl! Das bringt mich aber nicht aus der Ruhe. Das Drachen Material reicht nämlich für 50 Drachen. Zuerst geht’s ans Malen. Es kehrt Ruhe ein in der Halle. Die Kinder sind beschäftigt und ihre Eltern ebenso. Sie helfen beim Malen. Vor, während und nach dem WorkShop werde ich von Medienleuten befragt. Gerne stehe ich Red und Antwort. Werbung für die Drachen, Werbung für mich und mein Atelier. Das tut gut. Und zum ersten Mal trage ich das neue Sweat Shirt mit meinem Logo www.drachenclub.ch ...

Nach etwa zwei Stunden fliegt der erste Kinder-Drachen am Himmel. Der Regen ist einem Kunterbunt aus Wolken und Sonnenschein gewichen. Der Wind ist launisch, mal schwach, dann wieder böig. Die Kinder freuts, die Eltern ebenso. Auch ich darf zufrieden sein, wieder ein erfolgreicher WorkShop. Die beiden jungen Damen helfen auch beim Aufräumen, wischen die Tische und Bänke. Wirklich eine Freude, wie sie sich einsetzen. Ein grosses Dankeschön!

Die anwesenden Drächeler zeigen ihre zahlreichen Kunstwerke. Das Publikum ist fasziniert ob der Vielfalt der Drachen. So geniessen Aktive und Gäste einen abwechslungsreichen gemütlichen Nachmittag. Auch für Verpflegung ist gesorgt. Drinnen das gemütliche Beizli, draussen die wohlriechenden Würste auf dem Grill. Später fährt Herbert mich und Christian zurück nach Basel. Ein schöner Nachmittag ist vorüber.

Botanischer Garten versus Klosterfiechten

Nun sinds nur noch wenige Tage bis zum Monatsende. Der Juni war ein erfreulich sonniger wie auch heisser Monat. Hitzewelle, Tropennächte. Sollte sich der Juli noch steigern, dann können wir uns wie vor zwei Jahren auf erschlagende Hundstage vorbereiten: Getränke einkaufen, Früchte und Salate, Sonnenhut und -crème, wer noch nicht hat. Ventilator und Fächer für etwas Luft um die Nase. Auch die Kleidung ist anzupassen. Weite Hosen und Hemden, damit der Körper seine Wärme an die (heisse) Luft besser abgeben kann. Hier gilt: Hemd einmal nicht in die Hose, sondern über die Hose, Krawatte bleibt zu Hause im Schrank. Letzteres wird auch meinen Big Boss begeistern, denn auch er ist kein Freund von Halsklemmen...

Vom Drachenclub Regio Basel sehe und höre ich nach wie vor nichts. Nicht einmal die Internet-Site ist aktuell. Auch Drachen habe ich keine gesehen ausser meine eigenen im Atelier. Was solls, ich fühle mich ohnehin mehr und mehr den Pflanzen verpflichtet. Und am ersten Julitag sind Olga und ich zum Mittagessen eingeladen. Bei Tanja und Bert, den Chefs vom Botanischen Garten der Universität Basel beim Spalentor. Und gleich ums Eck wohnen wir ja auch. Ich bin gespannt, Tanja wird sicher 100 Anliegen haben...

Am Samstag, 18. Juni, findet in Klosterfiechten, dem wohl südlichsten Zipfel von Basel-Stadt, die alljährliche Buurechilbi statt. Ein schöner Junitag mit viel Sonne und zeitweise auffrischender Bise. Also gerade richtig für die Drachen, welche an diesem Nachmittag durch eifrige Kinderhände entstehen werden. Die Buurechilbi zieht immer viel Publikum an. Das ist auch kein Wunder, denn bei viel Musik, Gesang, gutem Essen und etlichen Attraktionen wie die Besichtigung des Bauernhofes und der Förderstätte für Behinderte entsteht eine unverwechselbare gute Stimmung. Das gemeinsame Zusammensein von uns „Normalen“ mit den Behinderten ist nicht selbstverständlich und für uns bisweilen ungewohnt. Nicht zu übersehen ist die reichhaltige Bauerntombola mit ihren vielen feinen Sachen: Selbstgebackene Brote und Zöpfe, junge Kartoffeln, selbsthergestellte Wurstwaren, dann Konfitüre und vieles mehr. Lösli für einen Franken, das kennen wir doch von einer anderen Geschichte.

Fast mit etwas Wehmut verabschiede ich mich. Die Buurechilbi ist mir in all den Jahren schon richtig ans Herz gewachsen. Und so bleibt die Vorfreude auf die Buurechilbi 2006...

Birseck-Magazin versus BAZL

Am 5. September ist ein Bericht im Birseck-Magazin erschienen. Fast zwei A4-Seiten über mein Atelier, das Drachencafé und die vielen Drachen. Das Birseck-Magazin ist wirklich ein schönes abwechslungsreiches Magazin in bester Qualität. Es erscheint viermal jährlich. Da kann ich dem Herausgeber und Chefredaktor Walter Tanner ein Kränzchen winden. Und Salome Neige, die Reporterin, ist es gelungen, einen interessanten lehrreichen Bericht über unser Wirken zu verfassen.

Ansonsten wars für meine Drachen ein ruhiger Monat. Ferienzeit. Auch für uns. Bei schönem Wetter muss ich dennoch Handgriffe mit Leine versehen. Eine Rolle Nylon-Schnur ergibt drei Handgriffe mit je rund 50 Metern Leine. Das genügt für die Kinder-Drachen. Höhensperre ist ja ohnehin bei 60 Metern über dem Boden. So will es das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL). Zum Umspulen eignet sich unser Schützengraben vor der Haustür bestens. Von der einen Laterne bis zur übernächsten sinds ziemlich genau 50 Meter. Hin und her und dann her und hin... So entstehen „meine“ Handgriffe mit Leine.

Ich denke der Monat September wird dann wieder mehr Geschichten über Drachen liefern...

Dinosaurier versus Drachenfest

Wie gesagt, so geschehn. Der September ist  DER  Drachenmonat. Auch für uns hier in Basel. Dieses Jahr findet einmalig im Rahmen des Volksfests St. Jakob vom 11. September eine Drachen Air Show statt. Dieter von „play4you“ ist der Initiant und Organisator. Leider ist der Wettergott uns nur teilweise gnädig. Der Himmel ist tief verhangen und jederzeit muss mit Regen gerechnet werden. Aber es bleibt trocken. Dem Wettergott sei gedankt, obwohl ein paar Sonnenstrahlen willkommen wären. Denn das Publikum erscheint nicht gerade in grossen Scharen. Die Anwesenden dürfen aber über viele neue bunte Kunstwerke staunen, welche bei redlich Wind gen Himmel steigen. Meine Drachen bleiben heute zu Hause, denn ich bin als ganz gewöhnlicher Besucher zum Anlass erschienen. A propos Drachen: Während der Sommermonate bis zum Beginn der Herbstzeit sind hier im Park im Grünen (Grün 80) rund zwei Dutzend Dinosaurier in Originalgrösse aufgestellt. Auch unsere Drachenwiese ist umgeben von den Dinos. So entstehen lustige Fotos mit „echten“ und „falschen“ Drachen. Die Frage, wer nun echt oder falsch ist, überlasse ich gerne meinen Leserinnen und Lesern...

Zwei Wochen später glänzt das 21. Basler Drachenfest. Initiant und Organisator Raimond von ActivePeople versteht es auch dieses Jahr, mit eher wenig Aufwand ein Optimum den Hergereisten zu bieten. Das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite (Wir danken dem Wettergott und hoffen auch auf künftiges Wohlwollen.), und das wirkt sich natürlich auch auf die Zuschauer Zahlen aus. In Scharen erscheinen sie, einzeln oder zu Paaren oder gleich mit der ganzen Familie. Und sie alle können wie schon vor zwei Wochen beeindruckende Kunstwerke bestaunen. Der Drachenclub Regio Basel ist zwar mit einigen Mitgliedern vertreten, vor allem im Stuhl unter dem blauen Gartenzelt. Zumindest Herbert spult auf der Nähmaschine Faden ab und zeigt den Interessierten, wie ein kleiner Eddy-Drachen entsteht: Stoff, Schablone, Saumband, Drachenschwanz. Ganz einfach. Für Herbert zumindest. Derweil einige Zuschauerinnen sich über die eigenen Kenntnisse im Umgang mit einer Nähmaschine Gedanken zu machen scheinen...

Für mich und meine Olga ist fast der ganze Tag „WorkShop Time“. Von Schlag 11.00 Uhr bis kurz nach 17.00 Uhr wollen rund 60 Kinder einen Drachen basteln. Der Nagasaki Hata, ein kleiner japanischer Kampfdrachen, ist nach wie vor beliebt und hat sich an den zahlreichen WorkShops in der Vergangenheit bestens bewährt. Mit Filzschreibern oder Wasserfarben zeigen die Kinder ihre Fähigkeiten beim Bemalen des Segeltuchs, derweil Olga sich um die Stabkonstruktion kümmert. Waagschnur, Leine und viele Erklärungen auf viele Fragen gehören zu meinem Teil.

Ein gemeinsames Nachtessen zusammen mit den Organisatoren im feinen Seegarten-Restaurant beendet einen erlebnisreichen schönen Spätsommertag.

Der Schachen in Aarau

Jeden zweiten Sonntag im Oktober ruft der Schachen in Aarau. Und ebenfalls jeden zweiten Sonntag im Oktober ruft OSOW (One Sky One World), ein Himmel eine Welt. Der Weltdrachentag sozusagen. OSOW wird auf der ganzen Welt gelebt. International ist dieser Tag eine friedvolle Drachen-Demonstration. Die Idee zu dieser Aktion wurde 1985 von der Amerikanerin Jane Parker-Ambrose geboren. Der Drachen am Himmel stand damals als Sinnbild für das neue und entspannte Verhältnis zwischen den USA und der UdSSR. Aus dem einmaligen, hoffnungsvollen Flug wurde eine Bewegung, die frei von irgendwelchen Ideologien international Menschen in gegenseitigem Respekt und in Freundschaft miteinander verbindet (Quelle: www.ngz-online.de).

So werde ich – wie jedes Jahr – auch an diesem Sonntag mit meinen Drachen nach Aarau fahren. Minimal-Ausrüstung. Denn die Meteorologen haben Flaute vorausgesagt. Also Leichtwinddrachen sind gefragt. Ausser meinen beiden Genki- und Sode-Drachen findet aber auch meine Sonnenblume Platz in der Drachentasche. Diese haben wir seinerzeit an einem der zahlreichen WorkShops gebaut. Zwei Meter Durchmesser und einen 12 Meter langen grünen Stiel. Eigentlich haben wir die Sonnenblumen für Fanoe konstruiert. Also robust, keine Gewichtsminimierung bis zum Geiz. Denn wer diese idyllische dänische Insel kennt, der weiss, was der dortige Nordsee Wind hergibt. Bei schönem Wetter bläst der Sand einem horizontal ins Gesicht, bei schlechtem Wetter ists eben der Regen. Aber die Waage (Waagschnur) der Sonnenblume lässt sich derart einstellen, dass der Drachen recht flach liegt. Und so genügt eben auch ein schwächerer Wind, um die Blume steigen zu lassen.

Wie gewohnt fahren mich also an diesem Vormittag 10000 PS von Basel nach Aarau. Vom Bahnhof Aarau geht’s den bekannten Weg zurück zum Schachen. Vorbei an der Glockengiesserei. Jedes Jahr bewundere ich die kleinen und grossen Glocken. Sie stehen in Reih und Glied und wirken beeindruckend auf mich, ja überwältigend. Vor allem die grossen Glocken mit ihrem goldigen Glanz faszinieren mich. Gerne hätte ich ein solches Prachtstück bei uns im Höfli.

Im Schachen angekommen, wandern meine Blicke zuerst zu Esther vom Bastelhuus. Dieses Jahr hat sie ihren Drachen-Stand an einem anderen Platz aufgebaut. Also zuerst Esther begrüssen, dann die andern. So hat sich das eingebürgert.

Festbeiz, Sonnenschein und angenehme Temperaturen. Ja, nur Sonnencrème und Fotoapparat sind zu Hause geblieben. Das ist eher unüblich für meine Person, die sonst an alles denkt. Aber was solls, der Drachenonkel wird eben älter, da darf er schon mal was vergessen.

Die Luft liegt ruhig über dem Schachen. Die Dampfwolken von Gösgen steigen geradlinig wie ein Bohnenstickel gen Himmel. Kein Wind also. Dennoch packe ich die Sonnenblume aus und setze sie zusammen. Acht Kohlenfaser-Stäbe sind anzubringen sowie der lange grüne Stiel. Dabei hilft mir ein junges gut gelauntes Mädchen. Es wünscht sich nämlich, den Drachen selber steigen zu lassen. Nach einigen Startschwierigkeiten geht der Wunsch dann auch in Erfüllung. Freudig hält das Mädchen die Drachenleine fest in ihren kleinen Händen. Leider kann die Freude nicht besonders lange dauern, denn die Blume will wieder zurück auf die Erde. Kein Wind. Wie aber konnte die Sonnenblume dennoch aufsteigen? Ihr Profis wissts. Den anderen verrate ich’s: Zuerst wurden 70 Meter Leine ausgelegt. Erst dann zog ich an der Leine und schritt gleichzeitig rückwärts. Dadurch stieg die Drachen-Blume. Ein Hochstart nennt sich das. So legen wir beide die Blume dann zusammen und stecken sie in die Drachentasche. Vielleicht können wir nächstes Jahr die Blume wieder gemeinsam steigen lassen...

Wurst und Brot und ein Glas Wein lassen die Windflaute bald vergessen. Und schon bald darauf verabschiede ich mich von den Drächelern und von Esther. Bis zum nächsten Jahr im Schachen!